Viel Freude

Viel Freude

„Freude“ scheint mir etwas sehr Persönliches. Und Individuelles. Was den einen freut, macht dem anderen noch lange keine Freude – vielleicht ärgert er sich sogar grün und blau, gerade über jenes, was den anderen glücklich macht.
„Und damit erkläre ich euch zu Mann und Frau. Und wünsche euch viel Freude in eurem gemeinsamen Leben.“ Das ist okay, wenn so der Pfarrer bei der Trauungszeremonie spricht. Denn Freude ist hier sehr etwas kostbares. „Freude im gemeinsamen Leben“ zu wünschen, passt also für einen feierlichen Moment.
„Viel Freude mir Ihrer neuen Stereoanlage“ beendet die Verkäuferin ihr erfolgreiches Verkaufsgespräch. „Viel Freude mir Ihrer Fotokamera“ steht im Bestätigungs-E-Mail des On-Line-Shops, wenn man gerade einen Fotoapparat übers Internet gekauft hat. Nun, hier ist der „Freude-Wunsch“ natürlich nicht mehr ganz so persönlich, aber durchaus gebräuchlich. Wer eine Stereoanlage kauft, spielt damit CDs und Cassetten, hört Radio. Er wird sich also Musik anhören, die ihm Freude macht. Und natürlich wird man erst recht mit einer Fotokamera Freude haben: man hält die schönsten Momente in Bildern fest und kann vom Urlaub mit den Fotos angeben. Eine Fotocamera wird sich nur jemand kaufen, der am Fotografieren oder am Endprodukt – den Bildern – Freude hat. Also nehm’ ich sowohl von der Verkäuferin als auch vom On-Line-Shop den „Freude-Wunsch“ an.

Aber dann wünscht mir ein gewisser Herr Gorbach fiel Freude mit meinem neuen Scheckkartenführerschein. Abgesehen davon, dass es schon lange keine „Scheckkarte“ mehr gibt, weil es keine Schecks mehr gibt, zu denen man eine Karte braucht. Wie soll einem ein Führerschein Freude machen? Kann ich damit irgendwas Lustiges oder Erfreuliches oder Erbauliches anstellen? Kann ich mich an meinem Führerschein so richtig erfreuen? Oder muss ich ihn einfach bei mir tragen, wenn ich mit dem Auto fahre?
Wenn das „Viel-Freude-Wünschen“ Schule macht, hab ich da einige Visionen: das Bundesministerium für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz (früher „Familienministerium“) wünscht „Viel Freude mit ihrem neuen Kind“, die Gebietskrankenkasse wüscht „viel Freude mit dem Herzschrittmacher“ und das Krankenhaus „viel Freude mit Ihrer Chemo-Therapie“.

(2006)

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