Ach Armin…

ISBN 978-3-903385-20-7, Roman, Taschenbuch, 400 Seiten, BayerVerlag 2023

Die berührende Geschichte des Armin G.

Der aus der Zeit gefallen ist.

Der die letzten 37 Jahre ‚versäumt‘ hat.

Der sich nur schwer in dieser für ihn neuen Welt zurechtfindet.

Ach Armin…

 

Armin, ein hochbegabter Asperger-Autist, brillant in Logik und Mathematik, steht vor einer überwältigenden Herausforderung: Er muss nicht nur die Entwicklungen der letzten Jahrzehnte verstehen, sondern auch lernen, die subtilen Nuancen menschlicher Interaktionen zu erfassen. Seine Welt besteht aus Fakten und Strukturen. Und doch steht er nun vor einer Flut von Informationen, der seine Logik nicht gewachsen ist.

Und wenn Armin vor dem Geheimnis seines Unfalls unermüdlich nach dem Mädchen seiner Träume aus der Schulzeit sucht, fiebert der Leser mit. Und leidet mit ihm, wenn er die neue Zeit einfach nicht begreifen kann.

 

 

Der Roman verbindet auf geschickte Weise emotionale Tiefe mit einer kräftigen Prise Humor und Ironie. Der Autor macht klar, dass wir keineswegs in die Zukunft blicken können – auch wenn wir glauben, eine ungefähre Ahnung von den weiteren Entwicklungen unserer Welt zu haben. Und dass uns selbst eine 37-jährige Vergangenheit unter dem Mantel der Zeit als völlig unwirklich, ja fast schon unvorstellbar, vorkommt.

 

LESEPROBE:

 

Nah am Wasser gebaut

Den Spaß, den der Doc gemacht hat, den habe ich immer noch nicht verstanden. Ich weiß, dass das eines meiner größten Probleme ist. Ich verstehe Spaß, Witz und Ironie nicht. Aber… der Doc hat gesagt, dass es kein Spaß ist. Wenn es kein Spaß ist, dann bin ich wirklich 56 Jahre alt. Und habe mein Leben praktisch hinter mir.

Magda Lehner öffnet die Tür.

»Ich wollte nur schauen, wie es dir geht.«

»Danke gut.«

»Bist du sicher?«

»Ja, ich bin sicher.«

»Du hast eine angenehme Stimme.«

»Mit ‚angenehm‘ meinen Sie ‚eine positive Stimmung auslösend‘?«

»Ja… Du musst nicht Sie zu mir sagen.«

»Sie sind erwachsen.«

»Und du?«

»Ich bin… ich bin… ich weiß es nicht. Der Doc hat gesagt, dass wir das Jahr 2023 haben. Stimmt das?«

»Ja, das stimmt.«

»Dann bin ich 56 Jahre alt. Und auch erwachsen.«

»Also können wir uns duzen.«

»Ja.«

»Ich bin die Magda.«

»Ich bin Armin.«

Magda trat auf ihn zu. Streckte die Hand aus. Er stand aus seinem Sessel auf. Ergriff aber ihre ausgestreckte Hand nicht.

»Und… Armin, du kannst dich gar nicht an mich erinnern?«

»Doch.«

»Was?«

»Sie sind…, du bist, heute früh da unten gestanden. Und am Vormittag in mein Zimmer gekommen und mittags haben Sie mich…, hast du mich zum Mittagessen gebracht und dann zu Dr. Isané.«

»Und davor?«

»Davor? Wie – davor?«

»Na, gestern, oder vorgestern, oder vorige Woche?«

»Da… da kann… ich… Da kann ich mich nicht erinnern. Ich dachte gestern war Matura.«

»Ich habe dich dreizehn Jahre betreut. Jeden Tag…«

»Ist das Ihr Beruf – ähh… dein Beruf?«

»Ja, das ist mein Beruf.«

Das sieht jetzt aus, als ob eine Träne über ihre Wange laufen würde. Noch eine… über die andere Wange. Eine Träne ist eine salzhaltige Körperflüssigkeit, die die Tränendrüsen von Menschen und Säugetieren absondern. Sie dient der Reinigung des Bindehautsacks und der Befeuchtung und Ernährung der Hornhaut. Sie verbessert die optischen Eigenschaften der Hornhautoberfläche, indem sie die physiologischen Unregelmäßigkeiten durch Niveauunterschiede ausgleicht. Wenn Tränen über die Wange laufen, dann ist das oft gleichbedeutend mit Weinen.

»Weinen Sie? Weinst du?«

»Nicht wirklich. Naja, ein bisschen.«

Sie weint. Weinen ist ein unspezifischer emotionaler Ausdruck, welcher der Mimik zugeordnet wird und oft, aber nicht immer, mit Tränenfluss einhergeht. Weinen ist nicht an eine bestimmte Emotion gebunden und kommt nicht nur bei Schmerz, Trauer, Angst oder Ärger vor, sondern auch bei Freude und anderen starken Gemütsbewegungen.

»Ich bin eben nah am Wasser gebaut.«

»Du wohnst an der Donau?«

»Was?«

»In Alt-Urfahr?«

»Nein, ich wohne in Magdalena. Wie kommst du darauf, dass ich an der Donau wohne?«

»Du hast gesagt, dass du nah am Wasser gebaut… hast.«

»Ach Armin… Das ist ein Sprichwort. Man sagt, dass man nah am Wasser gebaut ist, wenn man oft weinen muss.«

»Ach so… Aber wenn du jetzt weinst, ist deine Emotion Freude oder Trauer?«

»Ach… ich weiß es nicht… vielleicht ist es ein wenig Schmerz.«

»Wo schmerzt es?«

»Im Herzen.«

»Im Herzen? Da müssen Sie…, da musst du sofort zum Arzt. Schmerzen im Herz…«

»Ich bin nicht körperlich krank«, unterbricht sie ihn, »es ist nur so… ich versuche, es zu erklären. Ich habe mich dreizehn Jahre um dich gekümmert. Das sind über 4.000 Tage…«

»Entschuldigung, wenn es 13 Jahre sind, dann sind das inclusive Schaltjahre 4.748 Tage. Mit 4.000 liegst du also ziemlich daneben.«

»Ach Armin…«, sie lacht etwas bitter, »ich wollte dir erklären, dass ich an… an wieviel? …an 4.778 Tagen…«

»4.748.«

»Ja… dass ich an so vielen Tagen für dich da war und dass es mich traurig macht, dass du davon nicht einmal etwas weißt.«

»Das tut mir leid. Ich entschuldige mich dafür. Du kannst zu weinen aufhören Jetzt weiß ich es ja.«

»Ja-ha… ich weiß jetzt auch mehr… Mehr über dich… Mehr über deine… Ach lassen wir das. Du solltest wieder mit dem Doc sprechen. Er muss dir noch was Wichtiges sagen.«

»Noch was Wichtiges? Genauso wichtig, wie dass wir jetzt das Jahr 2023 haben?«

»Ja, genauso wichtig.«

»Hat es was mit dem Zettel zu tun?«

»Mit dem Zettel?«

Armin zog die Plastikhülle aus der Hosentasche. Hielt sie Magda hin.

»Ja, ich weiß«, sagte sie, »du trägst das immer bei dir. Lässt es nie irgendwo liegen. Du hattest es schon, als ich hier angefangen habe.«

»Wissen Sie, was das bedeutet?«

»Weisst DU…«

»Nein, ich weiß es eben nicht.«

»Nein, ich meinte, dass du sagen solltest ‚weißt DU‘ und nicht ‚wissen SIE‘.«

»Weisst du, was dieser Zettel bedeutet?«

»Ich hab ihn noch nie gesehen.«

»Nicht?«

»Nein, ich weiß nur, dass du diese Hülle mit einem Zettel immer bei dir trägst. Was da draufsteht, weiß ich nicht. Zeigst du ihn mir?«

»Nein.«

 

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