Datenschutz

Ich leide! Sehr! Weil Google… Google hat… nicht nur Google, sondern auch Facebook und Konsorten… Also die haben…

Nein! Alles der Reihe nach!

Nehmen wir mal WhatsApp, das ja – jetzt – bekanntlich Facebook gehört. Dieser Kurznachrichtendienst gab anfangs Rätsel auf. WhatsApp – das ist ja super! Man kann sich Nachrichten senden, Bilder übermitteln, sich verabreden, sogar kostenlos von Kontinent zu Kontinent telefonieren. Wie gibt’s das, dachte man. WhatsApp kostet doch nichts! Lange hielt sich das Gerücht, dass die ja nur mal abwarten würden, bis sich das Nachrichtendiensterl verbreitet hat und dann – ja dann – würde es wohl eine geringe jährliche Nutzungsgebühr geben. Nehmen wir mal an, 10 € jährlich. Bei einer Milliarde Nutzern wären dass dann jährliche Einnahmen von 10 Milliarden Euro. Aber diese Nutzungsgebühr kam nicht. Wie gibt’s das also? Was ist der Geschäftsinhalt von WhatsApp? Klar, das sind wir! Die Nutzer! Besser gesagt, unsere Daten. Darum hat Facebook, einer der weltgrößten Datensammler, WhatApp gekauft. Um läppische 16 Mrd. US$. In Worten: sechzehn Milliarden Dollar. Für einen Nachrichtendienst, der keine Nutzungsgebühren einhebt und auch keinerlei Werbeeinnahmen hat. Damit war klar: meine Daten sind eine Menge wert. Und die meiner Freunde, denn die hab‘ ich in meinem Telefonverzeichnis und daher hat sie auch WhatsApp.

Und das ist natürlich ärgerlich. Also MICH jedenfalls ärgert das. Nicht, dass meine Daten bekannt werden, denn die Annahme, Daten seien vertraulich – oder gar geheim – ist in der Welt des Internet ohnedies eine Illusion. Nein, mich ärgert, dass MEINE Daten, die eigentlich MIR gehören, von jemand anderem, der sie mir gestohlen hat, verkauft werden. Zu horrenden Beträgen. Und noch viel mehr ärgert es die EU. Darum setzte sich die EU flugs hin und schrieb eine Verordnung. Eine Verordnung, die dann von den Mitgliedsstaaten in nationales Recht umgesetzt werden musste. Dazu erfand man ein nettes Wort: die »EU-Datenschutz-Grundverordnung«, und die Abkürzung ist noch netter: die »DSGVO«.

 

So! Nun haben wir sie also, die De-eS-Ge-Vau-O. Eigentlich enthält sie kaum neue Datenschutz-Bestimmungen. Dafür aber saftige Strafen für die Nichteinhaltung. Und damit ist die Aufregung in unserer Gesellschaft groß. Und je größer die Aufregung, desto mehr werden die EU-Datenschutz-Grundverordnungs-Experten. In Österreich gibt es derzeit ungefähr zwei Millionen derartiger Experten. Da sind Anwälte-und-die-die-es-noch-werden-möchten, Notare-und-die-die-es-noch-werden-möchten, Wirtschaftstreuhänder-und-die-die-es-noch-werden-möchten, Unternehmensberater-und-die-die-es-noch-werden-möchten, Hinz&Kunz-und-die-die-es-noch-werden-möchten. Und weltweit sind es wahrscheinlich 500 Millionen Datenschutzexperten. Und sie alle haben eines gemeinsam: sie wissen, was man tun muss, um nur ja die DSGVO zu erfüllen.

Ein Beispiel gefällig? Gut. Als Obmann eines Gartenvereins, bin ich natürlich auch betroffen. Schnell hat sich ein Berater gefunden, der den Zentralverband berät, eine Diskussionsrunde organisiert, ein Video davon machen lässt und das allen Gartenvereinen zuspielt. Ob’s dieser Berater gratis macht, ist nicht bekannt – und auch eher unwahrscheinlich. Jedenfalls weiß ich jetzt, dass unsere Vereinshütte nicht wirklich DSGVO-gerecht ist.

Also ist es wohl am besten, wenn ich selbst mal mit einem DSGVO-Experten spreche.

Abgesehen davon, dass es in unsere Vereinshütte schon manchmal hereinregnet und die Türklinke klemmt – das betrifft die DSGVO ohnedies nur peripher – ist sie, so erfahre ich, datenmäßig eher ein Desaster.

»In der Hütte liegen Unterlagen auf, denen man die Namen der Unterpächter jeder einzelnen Parzelle entnehmen kann. Und am Ende vielleicht sogar auch noch die Geburtsdaten. Mein Gott!«, meint mein Berater.

»Aber«, wende ich ein, »mein Name ist doch nicht schützenswert. Und jeder darf wissen, dass ich 66 Jahre alt bin.«

»Ja, das ist vielleicht bei Ihnen so, aber nicht bei den anderen Unterpächtern. Deren Namen müssen jedenfalls geschützt werden.«

»Aber die sind doch alle bei Facebook, Twitter oder WhatsApp. Und daher haben sie ihre Daten sowieso für die große weite Welt freigegeben.«

»Ähhh, also…«, mein Berater räuspert sich, »wollen wir doch ernst bleiben! Die Frage ist doch, ob Sie wissen, wer zu welcher Zeit die Vereinshütte betritt. Wissen Sie das?«

»Ähhh, naja…, wir wissen jedenfalls nicht genau, wer einen Schlüssel hat. Ich glaube, man kommt sogar ohne Schlüssel hinein.«

»Und – wollen Sie gar nicht wissen, wer die Hütte betritt, um Daten auszuspähen?«

»Naja… eigentlich nicht.«

»Falsch! Sie wollen das wissen! Sie müssen das wissen! Und, das ist auch nicht schwierig. Eine einfache elektronische Zutrittskontrolle… mit Chipkarten…«

»Aha…«

»Ja, und natürlich ist es am besten, wenn Sie diese elektronische Zutrittskontrolle mit einem Computer verbinden. Einem Computer, der aufzeichnet, wer wann die Vereinshütte betritt.«

»Es tut mir leid, unser Gartenverein besitzt keinen Computer.«

»Naja, man muss schon was in die Datensicherheit investieren. Ich hätte da einen günstigen Laptop-Produzenten an der Hand… und einen Chip-Kartenhersteller…«

»Aha. Und die Software – gibt’s die gratis? Und die Chip-Karten? So Chip-Karten kann man doch auch verlieren.«

»Chip-Karten sind eigentlich gar nicht so teuer. Und die Software… Ich hätte da ein günstiges Softwarehouse an der Hand… Sicherer sind natürlich Fingerprint-Scanner… oder Augen-Scanner. Da braucht man dann keine Chip-Karte, denn – wie sie richtig sagen – die kann man auch verlieren. Und frage nicht, was so ein Verlust für eine Prozedur auslöst.«

»Prozedur?«

»Ja! Selbstanzeige! Selbstanzeige wegen Verletzung der DGSOV.«

»DSGVO!«

»Ja, natürlich.«

»Also wär ein Augen-Scanner besser?«

»Natürlich! Viel sicherer! Eine Gartenhütte, die durch Augen-Scanner gesichert ist… also das ist… die ultimative Erfüllung der OGSDV.«

»DSGVO!«

»Ja, natürlich.«

»Ist das nicht ziemlich gefährlich?«

»Ähhh… gefährlich?

»Na, wenn die Datendiebe, die es ja bekanntlich primär auf die Namen von Kleingärtnern abgesehen haben, nicht anders in die Hütte hineinkommen, dann würden sie mir das Auge mit einem Esslöffel aushebeln und so den Augen-Scanner überlisten…«

»Ähhh… verarschen Sie mich jetzt?«

»Ja, aber Sie haben angefangen.«

Aber nicht nur Kleingartenvereine sind die Leidtragenden der neuen OGDGO. Auch privat ist man schwer betroffen.

Zuerst erhalte ich E-Mails von allen Newslettern, die ich ständig bekomme, die ich aber ohnedies nie bestellt habe. Jedenfalls nicht wissentlich. Aber es war doch immer ganz nett, dass ich wusste, dass es jetzt Werbekugelschreiber zu kaufen gibt. Nämlich um 9,9 Cent je 10 Stück. Dabei schert sich niemand darum, dass ich nur ein Stück brauchen würde. Aber so habe ich permanent den Preisüberblick über Kreissägen, Dacherneuerungen, Sonnenschirme, Hautcremes, 3monatige Kreuzfahrten und Toilettepapier in der Familienpackung.

Von diesen Newslettern kommen nun die OGDNS-Anfragen »Wenn sie damit einverstanden sind, unseren Newsletter weiter zu erhalten, dann klicken Sie auf JA.« Haha! Damit habe ich gewonnen! Niemals klicke ich JA an. Ich lösche alle diese E-Mails! Damit bin ich alle Newsletter los! Super!

Bis ich draufkomme, dass ich in den letzten Wochen DSVGO-Anfragen bekomme, die lauten »Wenn Sie unseren Newsletter weiter bekommen wollen, dann brauchen sie gar nichts tun«. Scheiße! Und die hab ich alle gelöscht und somit »gar nichts getan«.

Und da kamen noch jede Menge Anfragen von Newslettern, die ich bisher niemals bekam. Und die hab ich jetzt alle bestellt, weil ich »gar nichts getan« habe. Super!

In den OÖN las ich kürzlich von einem Verkehrsunfall, bei dem sich einer der Beteiligten geweigert hat, seine Daten herzugeben. Wegen des Datenschutzgesetzes. Okay! Bei unserem Faustballverein spielen jetzt Wildfremde, die wir noch nie gesehen haben. »Wer seid Ihr denn?« »Das geht euch nichts an – Datenschutzgesetz!« Okay! Am Friedhof finde ich das Grab meiner Eltern nicht mehr. Alle Grabsteine wurden entfernt. Wegen des Datenschutzgesetzes. Okay! Der Fernsehkommentator bei der Fußball-WM in Rußland spricht nur mehr von Nummer 10, Nummer 8 und Nummer 2. Man erfährt nicht mehr, wie die Spieler heißen. Und auch nicht, wer gewonnen hat. Okay! In Amerika wurde kürzlich ein etwa 13jähriger Schüler festgenommen, der mit einem Schnellfeuergewehr auf die Menge im Schulhof geschossen hat. Er weigert sich zu sagen, wer er ist und beruft sich auf das Datenschutzgesetz. Okay!

Jetzt wollte ich noch meinen Namen unter diese Geschichte setzen. Ich trau mich aber nicht. Wegen des Datenschutzgesetzes. Es könnte sich ja jemand belästigt fühlen. Okay?

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