Chambio

2015, Buenos Aires.

Weil in Argentinien die Inflation so hoch ist und weil Argentinier kein Fremdwährungsguthaben führen dürfen, gibt’s einen florierenden Schwarzmarkt für Argentinische Pesos. Und der Unterschied zwischen bei der Bank erworbenen Pesos – oder mit der Kreditkarte bezahlten – zu den schwarzen Pesos ist eklatant: 50%! Denn weiß kriegt man für 100 € 1.000 Pesos, schwarz kriegt man 1.500 Pesos. Also ein gutes Geschäft für die Touristen. Es muss aber auch ein gutes Geschäft für die Argentinier sein. Sonst gäbe es das nicht, dass man überall schwarz umtauschen kann.

Und der Grad der Geheimhaltung ist durchaus unterschiedlich. Jedenfalls ist es nicht so, dass man in dunklen Ecken bei verdächtigen Gestalten tauschen muss. Auf dem Land, also zum Beispiel in Villa General Belgrano, gibt’s sogar schwarze Wechselstuben, die ihre Kurse öffentlich aushängen. In Ushuaia wird in den Hotels gewechselt. Hier gibt’s zwar keinen öffentlichen Aushang der Kurse, aber die Ausstattung ist mit den Geldzählmaschinen durchaus professionell und wenig geheim.

Etwas anders scheint’s in Buenos Aires zu sein. Hier hat’s wenigstens den Anschein, von etwas Geheimen. Im Hotel in Buenos Aires erklärt der Hotelboy Pepi im Flüsterton, dass er in einem anderen Hotel einen Freund hätte, bei dem man umtauschen könnte. Aber – pssst, pssst, nur nicht zu laut – man müsste ein geheimes Losungswort kennen.

Andererseits sind die Straßen bei einem Sparziergang durch Buenos Aires von einem Singsang »Chambio, Chaaaaaambio, Chambiiiiiiiiiiio, Chambiooooooooo« durchdrungen. Jeder zweite auf der Straße bietet einem »Chambio« an. Abgesehen von den Dunklen-Ecken-Wechslern, die wahrscheinlich einen etwas besseren Kurs bieten, geht’s auch hier sehr gesittet zu. Nimmt man das Angebot zum »Chambio« an, wird man vom »Anlocker« ein paar Meter weiter geführt und dort einem »Führer« übergeben. Dieser »Führer« bringt dich dann in das Hinterzimmer eines Geschäfts. Dort wird dann gewechselt. Auch alles sehr gesittet. Wenn da die Phantasie nicht wäre…

Bevor wir zum Hotel zurückgehen, sagt Karl, dass wir überhaupt keine Pesos mehr hätten. Er würde daher noch paar Euros wechseln. Pepi schaut ihm nach, wie er von Jemanden in ein Geschäft geführt wird. Naja, wird nicht lange dauern.

Siegi, Traudi und Pepi warten. Gleich ein paar Meter vorne, tanzt ein älteres Paar Tango. Die drei sehen ein wenig zu und warten weiter vor dem Geschäft. Wer nicht zurückkommt, ist Karl. Sie warten. Kein Karl. Das gibt’s doch nicht! Normaler Weise dauert sowas vielleicht drei, vier Minuten. Karl ist schon seit 10 Minuten weg. Siegi wird immer blasser. Nein, nein, keine Angst, wahrscheinlich muss er sich anstellen. Eine Viertelstunde ist vergangen. Karl taucht nicht auf. Siegi flüstert, dass er doch das ganze Geld mit hat. Sie schaut mal in das Geschäft hinein. Nichts zu sehen. Karl ist nicht da. Was tun? Die wirrsten Gedanken schwirren uns durch den Kopf. Man hat ihn überfallen. Liegt irgendwo in einer Ecke. Blutüberströmt

Wir müssen was tun. Es sind schon 20 Minuten vergangen. Siegi und Traudi sind – zu Recht – höchst beunruhigt, nervös und blass. Pepi geht’s aber auch nicht viel anders. Er ruft Karl an. Karl hebt nicht ab. OhgottOhgott. Pepi ruft nochmals an. Wird weggedrückt. OhgottOhgott. Pepi schickt eine SMS »Wo bist du?«. Antwort-SMS kommt: »Bin schon im Hotel«.

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