Sossusvlei

Namibia: ehemals Deutsch-Südwestafrika. Eine deutsche Kolonie. Wenn du dir das Land näher anschaust – vor allem aus der Luft – dann fragst du dich unwillkürlich „was müssen das für Idioten gewesen sein, die dieses Land besitzen wollten?“ Ein Land, das nur Wüste ist – und Dornbuschsavanne. Und trotzdem kamen vor einigen Generationen unzählige Deutsche an den unwirtlichen Küsten an. Sie hatten sich von ihrem Kaiser in Deutschland ein Stück Land in Deutsch-Südwestafrika „gekauft“. Ist ja toll – der Kaiser verkauft Land, das den afrikanischen Ureinwohnern gehört!

Wie einsam dieser Landstrich ist, davon hatten wir beim Herflug in unserer Zwutschkerl-Cesna einen guten Eindruck bekommen. So öde, daß es schon wieder faszinierend ist: es besteht aus Hügeln, kleinem Dorngebüsch und ausgetrockneten Fluß- und Bachläufen. Straßen sind nur selten zu sehen – und wenn, dann sind es keine Straßen sondern, Staub- und Schotterpisten. Alle fünf bis zehn Minuten (Flugzeit!) taucht eine Ranch auf – die meisten haben auch gleich eine Landepiste dabei – mein Gott, muß es hier einsam sein.

Nun sind wir also auf einer Schotterpiste am Rand der Wüste Namib gelandet. Außer uns gibt hier: nichts! Wir sind umgeben von eigenartigen Farben: gelbbrauner Sand, wenige fahlgrüne Grasbüschel, einige beige dürre Bäume und über uns ein blassblauer Himmel – alles in Pastell gehalten. Unser Pilot Etienne entpuppt sich als Allround-Talent: er spring in einen bereitstehenden Wagen und ist ab jetzt unser Chauffeuer.

Am Eingang des Namib-Naukluft-Nationalparks besorgen wir uns Permits. Die Straße verläuft entlang des – natürlich staubtrockenen – Flussbett des Tsauchab Reviers und führt 50 km schnurgerade in die Zentral-Namib, die älteste Wüste der Welt und der „unwirtlichste und lebensfeindlichste Landstrich der Welt“. Anfangs sind noch ab und zu einige Oryxantilopen zu sehen – wovon die hier leben, ist uns ein Rätsel: Wasser scheint’s weit und breit nicht zu geben und zum Fressen müssen die paar dürren Grasbüschel im ausgetrockneten Tsauchab genügen. Bald sind auch die letzten Grasbüschel verschwunden und die bis zu 300 m hohen Sanddünen beherrschen die Landschaft. Eine phantastisch-wilde Landschaft, beherrscht von Formen. Wir befinden uns in einem Meer weicher Kurven und geschwungener Sandlinien. Alle Farben wirken „verwaschen“, denn es ist mittlerweile 10 Uhr vorbei, die Sonne steht schon hoch und die Dünen haben graue bis graubraune Farben angenommen – die leuchtende Röte der Morgen- und Abendstunden bekommen wir nicht zu sehen. Es ist schwierig zu fotografieren in der vor Hitze flimmernden Luft.

An der „Düne 45“ (45 km von Sesriem entfernt?) machen wir Halt für ein Picknick. Etienne packt eine gut gekühlte Flasche Champagner aus und wir verbringen eine halbe Stunde im Schatten eines Kameldornbaums. Bald endet die Straße. Die letzten 5 km führen durch tiefen Sand und auch unser Allradler schafft’s nur mühsam – von einer Straße oder Piste ist jetzt nichts mehr zu sehen. Das Sossusvlei ist eine Senke im Sandmeer, die auch als „Oase“ bezeichnet wird. Nun „Oase“ ist wohl etwas zu hoch gegriffen, es gibt halt hier einfach ein paar dürre Kameldornbäume mehr. Denn der Tsauchab führt höchstens alle paar Jahre für ein paar Tage Wasser – jedenfalls versickert der „Fluß“ dann hier im Sossusvlei – 40 km bevor er das Meer erreichen kann. Wir stellen unseren Landrover „im Schatten“ (wenn man das so nennen kann) ab.

Isolde und Pepi machen sich auf, um zum „Dead End“ zu marschieren – nomen est omen in dieser wahrlich „wüsten“ Gegend. Du marschierst keine zwei Minuten und der Schweiß ist dir aus allen Poren ausgebrochen. Du blickst zurück, woher du gekommen bist – und siehst deinen Ausgangspunkt nicht mehr. Sofort bist du von Dünen umgeben. Jeder Schritt im losen Sand ist anstrengend. Auch wenn du eine kleine Dünenanhöhe erklommen hast, ändert sich absolut nichts in deiner Umgebung – Sand, Sand, Sand, nichts als Sand. Und diese absolute Stille, die dich umgibt – ja umklammert! Du kannst dir gut vorstellen, wie es wäre, wenn du hier eine längere Strecke zurücklegen müßtest. Wie es wäre, wenn du dich in diesem Dünenmeer verirrt hättest. Wie es wäre, wenn die in den Sand geschlagenen Pfähle nicht wären, die den Rückweg markieren. Die Hitze ist einfach irre. „Dead End“ ist nichts anderes als eine weitere kleine Senke, mit einem gleißend weißen Boden (offensichtlich Salz) und abgestorbenen Baumstümpfen. Aber das ist auch nicht die Attraktion. Die Attraktion ist der Weg. Das „Wüstengefühl“. Du spürst, daß du hier ohne Wasser keine drei Stunden überleben würdest. Und der Rückweg wird dir immer länger, deine Füße suchen jede Stelle, die dir festeren Halt als der lose Sand verspricht. Du bist glücklich, als du nach 40 Minuten das Auto wieder erblickst und du bist gierig nach dem Wasser, das sich mittlerweile auf 40 Grad erwärmt hat. Jedenfalls ein völlig irres Erlebnis, so eine Wüstenwanderung – eigentlich ein Horrortripp – kaum beschreibbar, nur erlebbar.

Bald machen wir uns wieder auf den Rückweg, denn Etienne ist es ganz offensichtlich zu heiß. Er scheint nicht hitzebeständig zu sein. Das Wasser ist uns ausgegangen, daher legt Etienne einen Zahn zu und wir fliegen geradezu an den Dünen vorbei. Obwohl wir alle Fenster offen haben, der Fahrtwind vermag uns nicht abzukühlen – im Gegenteil, ab und zu kommen wir durch einen heißen Wüstenwind, den wir brennend im Gesicht spüren. Zurück in der Moevenpick-Lodge laben wir unsere ausgetrockneten Körper mit ein paar Halbe Faßbier – wohl kaum jemals hat uns ein Bier so gut geschmeckt. Etienne demonstriert uns, wie heiß ihm ist: er springt in voller Montur in den Pool. Gute Idee: auch Pepi gönnt sich eine Abkühlung im Pool. Wir verbringen zwei gemütliche Stunden und warten die ärgste Mittagshitze ab.

Nun geht’s zum Sesriem Canyon. Der Tsauchab hat hier (es muß wohl schon einige Zeit her sein – angeblich ein paar Millionen Jahre) eine einen Kilometer lange und 30 Meter tiefe Schlucht gegraben. Der Name „Sesriem“ kommt von den „sechs Riemen“ von Ochsengespannen, die man benötigte um Wasser aus der Schlucht zu schöpfen. Irgendwie können wir uns aber nicht vorstellen, daß es hier jemals Wasser geben soll. Wir steigen in die Schlucht hinab, sofort umfängt uns wieder die Wüstenhitze. Unten in der Schlucht ist es noch heißer – der Gedanke an einen Backofen drängt sich auf. Daher genügt uns ein viertelstündiger Erkundungsgang und wir steigen wieder zum Auto hinauf, wo Etienne auf uns wartet.

Wir fahren nochmals bei der Moevenpick Lodge vorbei, weil Pepi seine „Bade-Jean“ vergessen hat und tanken den Landrover auf. Wir fahren zum „Flugplatz“ zurück und lassen das Auto einfach dort stehen. Wir zwängen uns wieder in unseren kleinen Flieger und fliegen zurück nach Windhoek.

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