Der erste Einkauf

Natürlich war ich schon allein einkaufen. Öfter. Ein Leberkässemmerl. Eine CD. Einen Laptop. Ein Auto. Oder sowas… Was Einfaches halt. So richtig einkaufen, also so Dinge, die man täglich braucht, war ich noch nie.
Kaum ein Monat in der Pension, spricht Traudi: „Heut‘ geht’s mir aber trawig. Könntest du vielleicht einkaufen gehen?“
Diese Frage erscheint mir derart absurd, dass ich nicht einmal an einen Scherz glaube. Meine Antwort fällt dementsprechend aus. „Hhhnnnn?“. Aber es ist – wie sich herausstellt – nicht nur kein Scherz, sondern bitterer Ernst. Als mir das langsam dämmert, überlege ich mal. Es ist jetzt 10 Uhr und ich habe um vier Uhr Nachmittag eine Verabredung auf ein Bier – bis dahin nichts vor. Erstens habe ich also Zeit genug. Traudi meint, dass ich doch eh immer was Neues „erleben“ will. Stimmt. Also wär’s zweitens doch ganz interessant, mal den Einkauf zu übernehmen. Drittens – und wichtigstens – kann das ja nicht so schwer sein: Hinfahren, alles in ein Wagerl einräumen, zur Kasse gehen, zahlen, heimfahren… Also gut!
Was soll ich einkaufen? Traudi hat schon eine Liste gemacht.

½ kg Tomaten
2 x Butter
Kohlrabi
Schlagobers
Roggen-Vollkornbrot
1 Kg Zwiebel
Bratwürstel
4 Schweinsschnitzel
Essiggurkerl
Toilettenpapier
Grilltassen
Senf
Salz und Pfeffer
1 Kg Erdäpfel, mehlig.
Käse
Eier

Perfekt. Aber wenig ist das nicht! Egal. Zu schaffen ist alles.
„Schaust, dass du alles von ‚ja natürlich‘ nimmst“ meint Traudi.
Gut, eine zusätzliche Herausforderung! Ich liebe Herausforderungen.
„Und wenn’s geht nur österreichische Produkte.“
OK.
„Und eine Butter zum Kochen und eine zum Essen.“
Aha.
„Das Schlagobers soll aber länger haltbar sein.“
OK – noch was?
„Und Eier nimmst die großen…“.
OK, alles zum damerken.
Und wo soll ich einkaufen? Aha, im Merkur Markt… der ist doch dort drunten… ja, ja, weiß schon. Und wir sind „friends“? Was ist denn das? Naja, „Friends of Merkur“, das ist eine Kundenkarte. OK – her damit. Ja die Kundenkarte ist die Bankomatkarte. OK.
„Du musst mit meiner Karte zahlen“, meint Traudi.
„Ja, dann sag mir dein Bankomatcode.“
OK, leicht zu merken.

Wenig später betrete ich den Merkurmarkt. Aha… da muss man ganz nach hinten gehen. Nach wenigen Schritten höre ich hinter mir „Heeee Pepi… Pepi…!“ Bin da ich gemeint? Ahhhh, die Faschingbauers. Sitzen an einem Tischchen des kleinen Beisls. Erich winkt. „Gehst einkaufen?“ Ob ich mich nicht zu ihnen setzen und ein kleines Bier trinken will. Ich will.
So ein kleines Bier ist sehr klein. Daher sollte man zwei nehmen. Dann ist‘s genug, denn es ist eh schon halb zwölf. Ich verabschiede mich, denn jetzt geht‘s zum Einkauf.
Neben den Kassen stehen in langen Reihen die Einkaufswagerl. Ich nehm mir eins. Das heißt – will mit eins nehmen. Denn die hängen ja alle zusammen. Eh klar, weiß ich eh… brauch einen Euro… Ähhhh… Kein Euro eingesteckt. Was tun? Ahhhh… im Auto, da hab ich ja Kleingeld. Also wieder hinaus auf den Parkplatz zum Auto. Ich winke den Faschingbauers beim Hinausgehen. Sie sitzen noch immer da. Hol Kleingeld aus dem Auto. Im Hineingehen winke ich den Faschingbauers.
So, jetzt aber. Ich krieg ein Wagerl los und starte. Einkaufszettel her. Ganz oben: Tomaten. Das Gemüse ist eh gleich beim Eingang. Und Tomaten sind auch hier. Drei Steigen voll. Okayyyy…? Welche? Sehen alle gleich aus. Nehm ich halt… die mittleren. Gut… Wo tu ich die rein? Einfach in den Einkaufswagen? Nein, wohl nicht. Da gibt’s wohl Sackerl… oder? Nur wo? Seh‘ keine Sackerl. Ahh… da ist ja eine Verkäuferin. „Entschuldigung… können Sie mir sagen, ob’s hier Sackerl für die Paradeiser gibt?“
„Ja, eh gleich hier drüben.“
„Ohhh… danke, hab ich nicht gesehen.
Räume die Tomaten der mittleren Steige in das Sackerl. Wieviele soll ich denn da nehmen? Ein halbes Kilo. Steht am Zettel. Und wie weiß ich, was ein halbes Kilo ist? Eine Waage… vielleicht gibt‘s hier eine Waage? Klar, da steht ja eh eine. „Erst die Ware wählen“, lese ich, „dann die Ware auf die Waage“. Na, das ist einfach. Obwohl mir nicht ganz einleuchtet, warum man die Ware wählen muss. 1 Kilo Paradeiser sind doch so schwer wie ein Kilo Bananen oder ein Kilo Zement? Oder? Egal. Bei den Hausfrauen, da ist eben nicht alles logisch… Die Waage zeigt 2,60 Kilo. Da hab ich wohl ein wenig zu viel…? Naja… ich kann sie doch nicht wieder ausräumen… Wo ich doch schon alle angegriffen habe… Egal, Tomaten kann man eh immer brauchen. Siedendheiß, schießt’s mir ein: ‚nur aus Österreich‘. Ich schleiche zur den Steigen zurück. Ob das da drauf steht? Ja, es steht. „Herkunftsland Italien“. Steht auf der mittleren. Was tun? Soll ich die Tomaten wieder zurücklegen? Mitsamt dem Sackerl? Oder soll ich einfach den Einkaufswagen stehen lassen und mir einen neuen holen? Andererseits… die italienischen sehen nicht anders aus, als die österreichischen. Nicht zu unterscheiden! Also – Traudi wird’s nicht merken. Und ich werd‘ nichts sagen. Ich behalt sie also. Weiter geht’s mit meinen zweieinhalb Kilo Tomaten.
Nun kommt Butter dran. Wo wird die wohl sein? Ich fahr ein wenig mit meinem Wagerl herum. Unauffällig. Denn ich will ja nicht als absoluter Anfänger erkannt werden. Keine Butter zu sehen… Moment mal… Butter muss gekühlt gelagert werden, also muss sie im Kühlregal sein. Und das finde ich. Es kommt mir vor, als sei es einen Kilometer lang. Zuerst steht da die Milch. Mein Gott… soviel Milch. Wer soll denn die kaufen? Und dann Joghurt. Jede Menge Joghurt. Und lauter verschiedene Arten. Gibt’s das überhaupt? Meterweise Joghurt. Na gut, jetzt kommt die Margarine, da wird auch die Butter nicht weit sein. Ah! Hier ist sie. Faßl-Butter, Sommer-Butter, Tee-Butter, Heumilch-Butter, Oliven-Butter, Rote-Rüben-Krenbutter, Kürbiskern-Butter, gesalzene Butter… Also… Welche nehm‘ ich? ‚eine zum Kochen und eine zum Essen‘. Welche ist nicht zum Essen? Soll ich fragen? Keine Verkäuferin zu sehen. Ich beobachte die anderen Kunden. Konzentriere mich auf solche, die aussehen, wie Hausfrauen. Zweimal wird Faßl-Butter gekauft und dreimal Tee-Butter. Das reicht. Niemand nahm die Sommer-Butter. Statistisch gesehen muss ich daher… Ich nehm Faßl-Butter und Tee-Butter. Welche davon zum Essen ist, weiß ich zwar noch immer nicht, aber egal. Ich habe mich entschieden – und aus.
Ein Blick auf die Uhr meines Handy‘s informiert mich darüber, dass es 12:27 ist. Mein Gott, wo ist die Zeit geblieben? Jetzt aber weiter. Kohlrabi. Wo wird der wieder sein? Vielleicht beim Gemüse? Dort war ich ja schon. Hätt ich gleich mitnehmen können. Also zurück zum Gemüse. Da steht ‚österreichischer Kohlrabi‘. Perfekt. Das war einfach.
Nächst: Schlagobers. Wo….? Natürlich! Auch gekühlt. Also zurück zur Milch. Wo ist nur das Schlagobers? Ich laufe das ganze zwei Kilometer lange Kühlregal entlang. Kein Schlagobers. Also wieder zurück. Ich werd‘ schön langsam müde. Kein Schlagobers. Aber Käse! Käse muss ich doch auch kaufen. Welchen? Da steht nichts am Zettel. Vielleicht Emmentaler? Die anderen sind eh meist fad im Geschmack. Schnittkäse oder im Ganzen? Leicht genervt nehm ich ein Packerl ‚Emmentaler Schnittkäse‘. Hinein damit ins Wagerl. Aber wo ist das Schlagobers? Da rauscht schon eine Verkäuferin heran. Die hat einen blauen Kittel – nicht so einen weißen wie die Andere.
„Entschuldigung, könnten Sie mir sagen…“
„Was du sagen? Ich nix wissen.“
OK. Du nix wissen. Ich nix finden. Scheiß Schlagobers. Das gibt’s doch nicht. Also nochmals das Kühlregal entlang. Kein Schlagobers. Die Dame da… die studiert das Joghurt-Angebot. Und wenn ich die…? Ist zwar eine Kundin – aber warum nicht?
„Entschuldigung… es ist mir peinlich… aber ich finde kein Schlagobers… Wissen Sie vielleicht…“
„Na, Sie stehen eh direkt davor.“
„Ähhhh… na sowas… haha… na sowas… haha… danke…“
Ich wende mich ab, dass sie meinen roten Bluzer nicht sieht, schnapp mir das Schlagobers und suche das Weite. Mein Gott, das Ablaufdatum? ‚Eins, das sich länger hält‘. Also wieder zurück. Vielleicht gibt’s eins, das sich länger hält. Hoffentlich steht die nette Dame nicht mehr da. Nein – eh schon weg. Ich beginne, die Schlagoberslade aus- und neu einzuräumen. Ganz hinten finde ich noch länger haltbares. Zwar nur um einen Tag länger, aber immerhin. Passt!
Jetzt das Brot. Hab bei der Schlagobers-Suche schon gesehen, wo das Brot ist. Hier gibt’s Bedienung. Das ist leicht.
„Bitte ein Roggen-Vollkornbrot.“
„Nix mährrrr haben Rrrroggenbrrrrot. Leidärrrr.“
„Aha…“. Ich hab keinen Notfallplan.
„Darf’s sein was anderrrrräs? Vielleicht knusprrrrig Bauerrrrnbrrrrot?“
„Ähhhh…“
„Odärrrr Landbrrrrot?“
„Ähhhh… Bauernbrot.“
OK – hab ich halt nicht alles ganz richtig. Egal, essen wir eben Bauernbrot. Ist genauso gesund. Was ist das nächste? Zwiebel. Gut, der wird wohl beim Gemüse sein. Zurück zum Gemüse. Da gibt’s mehrere Zwiebelsackerl. „Clever“. Was ist das? Ist das das gleiche wie „ja natürlich“? Wohl schon. Oder? Naja… „Clever“ klingt ganz gut. Also nehm ich „Clever“.
Es ist viertel nach zwei. Na, dann mal ein bisschen rasch. Was ist das nächste am Zettel? Wo ist der Zettel? Hosentaschen… Jackentaschen… Nochmals Hosentaschen… Nochmals Jackentaschen… Der Zettel ist weg. Wo hab ich ihn hingesteckt? Das gibt’s doch nicht. Der muss doch irgendwo… Er ist nicht! Jedenfalls nicht zu finden. Vielleicht hab ich ihn fallen lassen? Der Zettel ist nicht mehr da. Egal, was soll’s? Ich werd doch noch wissen, das da draufgestanden ist. Da war noch… Ja, Senf! Klar!
Wo ist der Senf? Wo kann der sein? Ich komme an einer Kühlvitrine vorbei. Lauter Käse. Tausende Käse! Und nicht in sterilem Plastik verschweißt. Vielleicht wird dieser Käse von mir erwartet – anstatt des Emmentaler-Schnittkäses? Ich glaub, ich nehm‘ lieber diesen. Lasse mir vom Käsemäderl da und dort ein kleines Stück runterschneiden. Ich glaube, sieben Sorten reichen.
„Ja, danke das ist alles“.
Ich krieg ein Sackerl mit drinnen Käse und draußen Preispickerl. Da steht 42 € drauf. Was mag das bedeuten? Ist das der Kilopreis? Na, offensichtlich nicht. Das kann aber nicht sein!
„Entschuldigung… der Preis… ähhh… der Preis?“ frage ich das Käsemäderl.
„Ja?“ fragt die unverbindlich.
„Der Preis… kann der stimmen?“
„Ja, der stimmt“, ist sie der festen Überzeugung.
Na, servas! Ich bring den Emmentaler-Schnittkäse wieder zurück. Ein Blick auf den Preis zeigt: 3,99 €. Naja, der wär etwas preiswerter gewesen. So, nun aber zu meinem eigentlichen Ziel, dem… Was wollt ich gerade? Ich dachte doch gerade bevor ich zum Käse kam, den muss ich suchen. Den… Was war das? Ja! Senf! Man braucht nur in Ruhe nachdenken. Senf!
„Entschuldigung, Senf?“ frage ich verkürzt eine abgehetzte Verkäuferin. Verkürzt, weil sie ja vielleicht eh „nix wissen“ tut. Aber sie weiß. Deutet mit der Hand nach hinten. „Vierte Reihe“. Und tatsächlich: in der vierten Reihe ist der Senf. Nicht einer! Tausende! Ich nehm‘ halt irgendeinen.
Was stand noch auf dem Zettel? Da war irgendwas… Ja… Papier… Papiertaschentücher – glaub ich. Oder? Ja sicher. Wo sind die Papiertaschentücher? Ich verfolge eine Verkäuferin. Die ist aber schnell. Ich muss laufen. Endlich erreich ich sie. Es ist viertel vor drei und daher halt ich mich nicht mehr länger mit Höflichkeitsfloskeln auf.
„Papiertaschentücher?“ lautet meine kurze und bündige Frage.
„Reihe 7“, antwortet sie ohne mich anzusehen oder stehen zu bleiben.
Bald hab ich die besonders günstige, superflauschige mehrlagige Familienpackung im Wagerl. Schein ein wenig viel. Da steht 120 x 10. Aber Schnupfen hat man doch eh fast jedes Jahr. Gut. War da noch was? Oder bin ich eh schon fertig? Zermartere mir das Gehirn. Es wird schön spät. Um 16:00 muss ich… Was stand da noch auf dem Zettel. Tomaten. Hab ich schon. Zwiebel. Hab ich auch schon. Senf, Schlagobers, Butter… Hab ich alles schon. Das wird’s dann wohl gewesen sein. Oder? Nein, da war noch was. Ha! Würstel! Würstel und Pfefferoni! Oder? Ja, Würstel und Pfefferoni! Und Eier! Ja. Eier!
Nach drei weiteren Interviews mit Verkäuferinnen – ich kenn sie jetzt schon alle – hab ich 5 Paar Frankfurter und ein großes Glas eingelegte Pfefferoni ergattert. Mein Lieblingsverkäuferin – ich nenn sie im Geiste ‚Pummelchen‘ – hat mich auch zu den Eiern geführt. Ich hab zwei Zehnerpackerl ‚extragroß‘ genommen. Ich glaub, so ist’s auf dem Zettel gestanden, weil ich mich noch gewundert hab, dass es die in Größenklassen zu kaufen gibt.
So jetzt hab ich aber alles. Oder? War da noch was? Nein, das war’s. Also zur Kasse. Mein Gott, so viele Leute vor mir. Kurzer Blick auf die Handy-Uhr. Was? 10 vor vier? Das gibt’s doch nicht! Das schaff ich nie mehr! Muss mein Bier-Date verschieben. Naja, kann man nichts machen. In der Schlange hab ich eh Zeit zum Telefonieren… Ob ich zu einer anderen Kasse gehen soll? Da drüben, da stehen weniger. Also raus aus meiner Schlange und rüber in die andere. Grad bevor ich dort bin, stellen sich noch zwei mit übervoll gegupften Einkaufswägen vor mir an. Scheiße! Doch lieber zurück in meine Schlange? Nein, dort stehen jetzt noch mehr. Hab genug Zeit, dass ich meine Verabredung telefonisch um eine Stunde verschieben kann.
Endlich. Nach einer halben Ewigkeit bin am Förderband. Räum‘ alles rauf. Ha! Jetzt fällt’s mir ein. Da sind doch noch Grillanzünder drauf gestanden. Die hab ich vergessen. Noch mal zurück? Aber ich hab alles schon am Förderband. Der hinter mir hat auch schon aufgepackt. Geht nicht mehr. Kauf ich eben die blöden Anzünder ein anderes Mal.
So, jetzt bin ich der nächste. Die ältere Dame vor mir muss nur noch zahlen. Sie stochert in ihrer Geldbörse herum. Zieht einen Schein heraus. Reicht ihn der Kassierin. Zieht noch einen Schein heraus. Reicht auch diesen der Kassierin. „Nein, den nicht“, ruft sie dann und fordert den Geldschein wieder zurück. Zieht einen anderen Schein aus ihrem Börserl heraus. Reicht ihn der Kassierin. Nun beginnt sie in ihrem Börserl herumzurühren. Sie scheint Münzen zu suchen. Nimmt eine Münze heraus. Legt sie vor die Kassierin. Nimmt noch eine raus und legt sie hin. Rührt wieder um. Schüttelt den Kopf. Rührt um. Mit einem Seufzer legt sie die Geldbörse vor sich hin. Öffnet ihre Handtasche. Kramt darin herum. Kramt und Kramt. Schließlich zieht sie ein Etui heraus. Öffnet es. Nimmt eine Lesebrille heraus. Setzt sie auf. Nimmt wieder ihr Börserl und rührt darin um. Nimmt zwei Münzen auf einmal heraus. Zwei auf einmal! Legt sie vor die Kassierin. Sieht diese fragend an.
„14 Cent fehlen noch“, meint die Ruhe-selbst-Kassierin.
Die ältere Dame reicht ihr die Geldbörse. Mit spitzen Fingern fischt die Kassierin ein paar Münzen heraus, legt sie sich auf die flache Hand und zeigt sie der Dame. Gibt ihr die Geldtasche zurück. Fertig.
„Grüß Gott“, begrüßt Ruhe-selbst-Kassierin nun mich.
„Grüß Gott“.
„Haben sie eine Karte?“
“Ähhh… Karte?” Schon wieder was Unerwartetes.
“Eine Kundenkarte. Friends?“ fragt sie mich friendly.
„Ahhsoo. Die Bank-Card. Ja, die hab ich.”
“Und…?”
„Und…?“
„Stecken Sie sie bitte rein.“
„Ahhh, jaja, schon gut…“
Sie zieht meine Einkäufe in rasender Geschwindigkeit über den Scanner und wirft sie ziemlich unsanft in die Sammelstelle. Plötzlich stutzt sie. Was ist los? Hat’s was?
„Auf den Tomaten, da ist aber kein Pickerl drauf.“
„Pickerl…?“ Irgendwie bin ich heute nicht der schnellste Überzuckerer.
„Von der Waage.“
„Waage…?
„Des Pickerl. Das Preispickerl.“
„Ähhh… Entschuldigung… das hab ich nicht gewusst…“ Ist das der Grund, warum man die Ware wählen muss?
Die Nun-gar-nicht-mehr-Ruhe-selbst-Kassierin springt auf. Packt mein Paradeisersackerl. Läuft hinüber zur Waage. Die hat’s aber auch eilig. Ob sie sich auch für 16:00 Uhr was ausgemacht hat? Kehrt keuchend zurück. Wirft mir einen vorwurfvollen Blick zu. Zieht die letzten Sachen über den Scanner.
„Wollen Sie mit der Karte zahlen?“
Ich will. Tippe meinen Bankomat-Code ein. „Passwort falsch“. Was? Das gibt’s doch nicht. Ich kenn doch meinen Code! Tippe ihn nochmals ein. „Passwort falsch“. Was ist da los? Die Kassierin trommelt mit den Fingern nervös auf ihrer Kasse. Was ist da los? Das kann nicht sein! Der Mann hinter mir wirft mir einen interessierten Blick zu. Nicht vorwurfsvoll, sondern interessiert. Er meint wohl, dass mein Konto gesperrt ist. Dass ich nicht zahlen kann. Lächerlich! Aber trotzdem, warum stimmt mein Code plötzlich nicht mehr?
Mein Gott, das ist ja Traudis Karte! Da muss ich ja ihren Code eintippen! Eh klar! Ihren Code… Der war… Der Code war… Tja… Wie war der Code? Ich hab schon zweimal den falschen eingetippt. Ich muss jetzt den richtigen eintippen, sonst ist Game over. Was ist der richtige? Wie war der nochmal? Schieße… Ich weiß ihn nicht mehr.
Was tun? Tja… Lähmende Stille in der Warteschlange hinter mir. Wenn jetzt das Licht ausgehen würde, würde ich mit meinem roten Bluzer den ganzen Markt ausleuchten. Was tun? Ahhhh…. Traudi anrufen.
Handy gezückt. Entsperren. Code eintippen. Telefon. Favoriten. Traudi. Das dauert ja alles nicht wirklich lange. Aber, die Leute… die schaun mich mittlerweile nicht mehr interessiert an, sondern jedoch schon etwas vorwurfsvoll. Es läutet.
‚Bitte, lieber Gott, lass sie abheben!‘
Das vierte Läuten!
„Ja“, meldet sich Traudi knapp.
„Du, ich brauch deinen Code.“
„Was?“
„Deinen Code.“
„Code?“
„Ja, deinen Bankomat-Code.“
„Hab ich dir ja eh gesagt.“
„Ich hab ihn aber vergessen. Vergeeeeessssen!“
Ich dämpfe meine etwas lauter gewordene Stimme wieder.
„Bitte sag mit einfach deinen Code.“
Endlich. Sie sagt ihn mir. Und: „Du hättest ja eh auch deine Karte nehmen können…“
„Ahhhh…“
„Mir ist noch was eingefallen, könntest du noch was mitnehmen…“
Ich lege auf.

Ich tippe Traudis Code ein… „Bitte Bestätigung drücken.“ Haaaa, Gott sei Dank. Ein Stein fällt. Die Menschen in der Schlange hinter mir applaudieren.
So! Fertig!
Aber vor mir liegt der ganze Haufen, den ich eingekauft habe. Wie packe ich denn das alles ein? Die Kassierin schiebt meine Sachen an‘s andere End. Braucht Platz für die des nächsten Kunden.
„Ähhh… Entschuldigung…“
Genervt schaut mich die Kassierin an, während sie weiter die Einkäufe meines Nachfolgers scannt.
„Hätten Sie bitte ein Sackerl für mich? Oder zwei…?“
„Die müssen’s aber kaufen.“
„Jaja, eh.“
„Müssen’s warten bis ich die Kundschaft fertig gemacht habe.“
Ich warte. Die Kassierin holt zwei Sackerl hervor. „80 Cent“, verlangt sie. Hab kein Kleingeld. Geb ihr einen Zwanziger. Sie kann eh wechseln… Und reicht mir eine 40 cm lange Rechnung über 80 Cent. Nett.
Ich beginne einzuräumen, sozusagen einzusackeln. Die genervten Blicke, die mir die Kassierin zwischendurch zuwirft, werden milder und dann… mitleidig. Die nächsten sieben Kunden, die hinter mir gestanden sind, sind schon abgefertigt und lange weg. Jetzt hab auch ich fertig eingepackt. Mach mich auf den Weg zum Auto.
Es ist kurz vor fünf, als ich nach Hause komme. Wie doch die Zeit vergeht! Traudi scheint nicht glücklich über meine Einkäufe. Warum? Weil sie sich seufzend auf den Weg zum Merkur macht.

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